Will man mit den Schülern "dort kommunizieren, wo sie stehen", merkt man schnell, dass die Jugend immer einen Schritt schneller ist, als man selbst. "Mailen Sie mir", "schicken Sie eine SMS", "schreiben Sie mir in Studi", "chatten Sie per ICQ" oder einfach skypen? Ich fühle mich wie der Hase, der ständig hinter dem Igel hinterherjagt und ihn doch nie erreicht. Momentan bin ich - nach sanftem Druck der Schüler - auf Augenhöhe. WhatsApp ist mein Tor zur kommunikativen Welt ausgewählter Klassen. Warum? Lesen Sie weiter!
Wie ich dazu kam
In meinem Freundeskreis gleichen Alters (so kurz vor 40) ist es selbstverständlich, dass man Mails am selben Tag liest und innerhalb der nächsten 24 Stunden beantwortet. Oft geht es sogar schneller. Meine Schüler der StartUp AG hatten mich allerdings höflich aber bestimmt darauf aufmerksam gemacht, dass sie Mails nur sporadisch zur Kenntnis nehmen (in dem Fall alle drei(!) Tage). "Schreiben Sie doch besser auf Facebook." "Ich bin nicht Facebook," antwortete ich im gepflegten Jugendjargon. Was folgte war eine kurze Einführung in WhatsApp und seine Möglichkeiten. Der Schüler als Lehrer - ein Rollenwechsel im besten Sinne. Die Episode ist nun ein Jahr, 6 Schülergruppen, 943 gesendete und 2517 empfangene Nachrichten her.
Seitdem konnte ich nur gute Erfahrungen mit dieser Art der außerunterrichtlichen Kommunikation sammeln. Natürlich sind nicht für alle meine Fachklassen Gruppen eingerichtet. Aber für diejenigen, in denen ich Klassenlehrer bin, die ein Leistungskursfach bei mir haben oder in der besagten AG zum Deutschen Gründerpreis - kurz: für alle Klassen mit erhöhtem Aufmerksamkeitsbedarf - bringt die Kommunikation per Handy einige Vorteile.
Warum ich begeistert bin
Es ist Kommunikation von beiden Seiten. Die Schüler stellen mir z. B. Fragen zu fachlichen oder organisatorischen Dingen. Die kann ich beantworten, wenn ich will, oder die Schüler (und das ist die Regel) tippen die Antwort schneller ins Smartphone, als ich es kann. Im Vergleich zum Mailing ist die Hemmschwelle dem Lehrer zu schreiben offensichtlich hinreichend niedrig. Stilistische Anforderungen an Schriftsprache geht dem Medium momentan (noch) ab. Das mag man grundsätzlich rügen. Ich antworte in solchen Fällen gerne mit dem korrigierten Begriff. Aber mir unterlaufen diesbezüglich auch oft Fehler. (vgl. "Statistik" auf graphitti)
Auf der anderen Seite haben die Lehrenden die Möglichkeit,
- Raumänderungen durchzugeben,
- an Termine zu erinnern,
- Aufgaben für den Vertretungsunterricht zu stellen,
- Tafelbilder als Fotos zu verteilen,
- Hinweise auf URLs zu geben,
- um Buchmitnahme zu bitten,
- Terminveränderungen vorzunehmen,
- Hausaufgaben einzufordern,
- Klassenfahrten zu managen,
- ... .
Was ich Kritern entgegnen möchte
"Jederzeit und überall erreichbar zu sein, stresst die Schüler."
Das ist erwiesen und das kennt jeder aus seinen eigenen Erfahrungen. Sollten wir die Schüler, welche vermehrt unter Stresssymptomen leiden, noch zusätzlich belasten? Natürlich nicht. Daher ist es wichtig, dass Nachrichtenschwemmen per Handy genauso unterbunden werden, wie Nachrichten zu unchristlichen Zeiten. Viele Gruppen sind von sich aus schon zurückhaltender, wenn es um die Gruppe "mit dem Lehrer" geht. Sollte es dennoch überhand nehmen, dann schaffen Regeln wie "von 8 bis 18 Uhr" mit der traditionellen Kuchenbackstrafe Abhilfe. Bei gehäuftem Spam hilft auch die Aufforderung zu mehr Funkdisziplin.
"Aber die Schüler kennen deine Handynummer."
Ja bzw. ja und. Nutzen sie es aus? Nein. Bislang haben mich 2 - in Worten zwei - Anrufe von Schülern erreicht. Auch die Nachrichten abseits der Gruppe kann ich in all der Zeit an zwei Händen abzählen. Meine eigene Skepsis, die Handynummer herauszugeben, war unbegründet. Abgesehen davon kann man sich auch eine dienstliche Nummer zulegen für ein Handy, das einfach abgeschaltet wird, wenn man ungestört sein will.
"Du zwingst die Schüler ein Smartphone zu kaufen, ein Onlinevertrag abzuschließen und eine nicht datensichere App herunterzuladen."
Natürlich ist es schön, wenn alle Teilnehmer einer Klasse gleichberechtigt informiert werden. Aber ich habe noch keinen Schüler gezwungen, an den Gruppen teilzunehmen. Die Informationen sind nie so relevant, dass die Schüler darauf angewiesen wären. Außerdem kann man fehlende Mitglieder der Lerngruppe über die Mitschüler oder auf anderem Wege informieren. Es existieren sogar Möglichkeiten, WhatsApp auf dem PC zu nutzen. In den drei Gruppen, in denen ich zuletzt die Kommunikation per WhatsApp eingeführt habe, fand ich im Übrigen bereits alle notwendigen Voraussetzungen vor (siehe Blogeintrag).
Bevor ich es vergesse: WhatsApp ist auch eine wunderbare Kommunikationsvariante für die Arbeit in Lehrerteams und mit Referendaren.
Wer hat ebenfalls Erfahrungen (auch negativer Art) gesammelt oder noch Fragen zum Thema hat? Einfach kommentieren.
ISQ? WHATTSAPP?
AntwortenLöschenSo ganz angekommen ist er noch nicht;-)
Gelesen, verstanden, korrigiert.
LöschenIch finde das eine tolle Idee, habe aber Bedenken, was passiert, wenn Eltern dich wegen des Datenschutzes beschweren, gerade in diesem Jahr gab es ja den Aufschrei, als Whatsapp mehr Berechtigungen wollte.
AntwortenLöschenAnsonsten würde ich das auch gerne ausprobieren, da ich die Vorliebe für WA teile und die Vorteile kenne. An der RWTH Aachen wurde dieses Jahr WA in Vorlesungen genutzt. Ergebnis: Studenten trauen sich viel mehr zu fragen! Jetzt hat man dort, eben wegen des Datenschutzes, zu diesem Zweck eine eigene App entwickelt .
Man könnte auch Telegram benutzen. Ist kostenlos, es gibt Clienten für fast jedes OS, man braucht lediglich eine Hansynummer (ohne Smartphonezwang), kann theoretisch 1,5 GB große Dateien versenden...
AntwortenLöschentweet von @JochumPeter:
AntwortenLöschenHeute hab ich die SuS die HA abfotografieren und in die klasseninterne WA-Gruppe posten lassen. Dort lesen und kommentieren Sie gegenseitig.
Hmm...
AntwortenLöschenIch sehe das etwas kritischer, da laut AGB Whatsapp erst ab 16 Jahren genutzt werden darf.
Durch die Nutzung als Lehrer legitimieren Sie damit einen eigentlich illegalen Vorgang.
Finde ich schwierig. Vor allem, wenn dann die Schüler später bei anderen Gelegenheiten (beliebt: Urheberrechte) mit dem Argument kommen, Sie würden sich sonst ja auch nicht immer daran stören, dass sie was Illegales tun.
Lieber Anonym,
AntwortenLöschenhmmm ... ich sehe es etwas realistischer.
1. Ich zwinge die Klassen nicht, WA zu nutzen, wenn sie es nicht möchten.
2. Ich unterrichte in der Sek II, da sind 95% der Lerner bereits 16.
3. Eigene illegale Handlungen werden nicht durch andere illegale Handlungen "neutralisiert", das wissen auch die Schülerinnen und Schüler
UND
4. Es handelt sich um AGB. Das sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem privaten Vertrag zwischen dem WA-Nutzer und dem WA-Anbieter (letztlich Facebook) zu Grunde liegen. Eine Illegalität lässt sich daraus also gar nicht ableiten. Es ist dann ein vertragsrechtliches und demnach ein privatrechtliches Problem. Daher müsste Facebook dem WA-Nutzer den Vertragsbruch nachweisen. War dies erfolgreich, so kann Facebook "lediglich" Schadenersatz fordern. Dazu müsste aber erst ein Schaden entstanden sein.
Jetzt kann sich Anonym und jeder andere Leserin und Leser einmal fragen, wie groß das Interesse eines Social-Media-Anbieters ist, seine Nutzer "rauszuwerfen".